70 Jahre Erstbesteigung K2. Der Südtiroler Erich Abram als Expeditionsmitglied und entscheidender Helfer
In die Expeditionsmitglieder reihen sich 11 der besten Bergsteiger Italiens ein, darunter auch der Bozner Erich Abram, geboren 1922 in Sterzing, der als Kletterer viele Erst-Routen in den Dolomiten begeht. Als Kältefachmann – seine Firma baut Kühlhäuser für Obst – wartet Abram die Sauerstoffflaschen. Er selbst trägt die zwei je 18 kg schwere Metallbehältnisse zusammen mit Walter Bonatti, ebenfalls italienischer Top-Alpinist, und mit dem einheimischen Träger Amir Mahdi bis zum Lager IX auf über 8.000 m. So ermöglicht Abram durch seine Leistung den beiden als Erstbesteiger Ausgewählten Compagnoni und Lacedelli den Gipfelsieg.
Die Alpinisten werden allesamt vor der Expedition intensiv medizinisch untersucht und „trainieren“ am Monte Rosa auch bei schlechtem Wetter, Abram bereitet sich zudem in den Südtiroler Bergen vor – bei einer Winterüberquerung vom Stilfserjoch zum Ortler, bei minus 20 Grad, bliebt Abram unverletzt, die ihn begleitenden Kameraden erleiden aber schwere Erfrierungen.
Abram bleibt bescheiden – trotz der Tatsache, dass er als erster Südtiroler Alpinist im Himalaya geklettert ist – und nimmt am italienisch-nationalistischen Rummel nach dem Gipfelsieg nicht teil.
Die Ausstellung – eine Kooperation von TAP und TAP Süd – zeigt erstmalig Fotos der Expedition aus den privaten Beständen von Erich Abram, außerdem persönliche Postkarten und Briefe, in denen er die Situation im Camp bzw. am Berg schildert, sowie Objekte, die am Himalaya „mit dabei“ gewesen sind, wie der Wimpel der Hochtouristen-Gruppe Bozen.
Teil 1 – Der Anstieg
Im Gegensatz zu heute, wo Hubschrauber die Alpinisten bis zum Basiscamp einfliegen, müssen die Besteiger 1954 einen circa 70 km langen, kontinuierlich ansteigenden Anmarsch und Anstieg bis zum Basiscamp auf 5.000 m zurücklegen. Da Expeditionsleiter Desio möglichst wenig Gepäck tragen lassen will, entscheidet er, aufgrund des ohnehin schlechten Wetters die Schneebrillen für die Sherpas und Träger zurückzulassen. Aufgrund von akutem Schneefall mit anschließendem plötzlichen Schönwetter werden jedoch alle Träger danach schneeblind; Erich Abram versucht, sie mit Salben halbwegs zu heilen. Die Träger protestieren und gehen zurück. Die Schneebrillen werden herangeschafft, die Träger zusätzlich entlohnt. Der erste Zwist von vielen auf dieser Expedition.
Erich kümmert sich intensiv um die hergeschleppten Sauerstoffflaschen. Das Wetter ist tage-, ja wochenlang schlecht. Man muss auf bessere Umstände warten, schreibt er an die Lieben zuhause. Der Tod des Kameraden Mario Puchoz (wohl an der Höhenkrankheit, mit Hirn- oder Lungenödem) schockt die Expeditionsteilnehmer. Eine Umrundung des K2 zwecks Finden der richtigen Route entfacht damals in Abram die Liebe zum Fliegen.
Teil 2 – Der Gipfelsieg
Die Erzählungen von Achille Compagnoni über den letzten Teil des Anstiegs zum Gipfel führt zu 50 Jahre andauernden Diskussionen und gegenseitigen Anschuldigungen zwischen Walter Bonatti und Compagnoni, bis der CAI auf Basis einer eigenen Kommission 2007 der Version Bonattis Recht gibt. Compagnoni und Lacedelli hatten demnach das Lager IX ungefragt etwas höher verlegt; dadurch mussten Bonatti und Mahdi auf über 8.000 m im Freien ohne Zelt biwakieren – beide überlebten, Mahdi allerdings mit schwersten Erfrierungen. Abram war schon vorher wieder abgestiegen … und beteiligt sich in der Folge nie an dem jahrzehntelangen Streit, sondern bleibt allen Mitgliedern der Expedition als Freund verbunden.
Teil 3 – Das Danach
Nach dem Gipfelsieg folgen diverse Einladungen und Ehrungen. Der Staat Italien beschließt Mitte 1955 die Herausgabe einer 25 Lire-Briefmarke, die aber – aus unbekannten Gründen – nie gedruckt wird. Sehr wohl erscheint eine pakistanische.
Die Expeditionsmitglieder treffen sich jedes Jahr im Herbst, organisiert jeweils von einem anderen Mitglied – nur Bonatti bleibt immer fern. 50 Jahre nach der Erstbesteigung findet eine große Feier in Cortina d’Ampezzo bei Lino Lacedelli statt – mit Abzeichen und Ehrungen.
Heute lebt keines der Expeditionsmitglieder mehr. Für Erich Abram bleibt es die einzige Tour im Himalaya – er baut nach der Expedition die Flug-Bergrettung in Südtirol auf und fliegt selbst Kleinflugzeug und Hubschrauber, nicht nur in den Bergen, sondern auch in Wüstengegenden, um Wasserleitungen zu verlegen. Er verstirbt 2017 im Alter von 94 Jahren in Bozen.
Die Kuratoren
Dr. Richard Piock, geb. 1947 in Meran/Südtirol, Studium der Handelswissenschaften in Wien, 1986 bis 2012 CEO der Durst Phototechnik AG, Gründer der Initiative „Vordenken für Osttirol“, 2016 bis 2021 ehrenamtlicher Geschäftsführer der Regional-Entwicklungsgesellschaft „Innos GmbH“, Obmann des TAP und des TAP – Süd (Bruneck).
Dr. Martin Kofler, MA, geb. 1971 in Lienz/Osttirol; Studium der Geschichte in Innsbruck und New Orleans; seit 2011 Leiter des neu geschaffenen Tiroler Archivs für photographische Dokumentation und Kunst (TAP).
(Online seit 31.07.2024)
Weiterführende Literatur
Abram, Carla/Ladurner, Christian, Höhenflüge. Erich Abram. Südtirol Alpinist und Pilot, Bozen 2020.
Bonatti, Walter, Berge meines Lebens, Zürich 2000.
Ders., K2. La verità, Milan 2007.
Desio, Ardito, The 1954 Italian Expedition to the Karakorum and the Conquest of K2, in: Alpine Journal 1955, 3–16 (https://www.alpinejournal.org.uk/Contents/Contents_1955_files/AJ60%201955%203-16%20Desio%20Italian%20Karakorum%20Exped.pdf, 31.07.2024).
Ders., K2 – Zweiter Berg der Erde, München 1956.
Fantin, Mario, K2 Sogno vissuto, Bologna 1958.
Golin, Augusto, Erich Abram. Un alpinista bolzanino/Ein Bozner Bergsteiger, Bozen/Bolzano 2012.
Kammerlander, Hans/Lücker, Walther, K2. Der härteste Berg der Welt. Triumphe, Tragödien und Kontroversen, Salzburg–Wien 2024.
Marshall, Robert, Re-writing the History of K2 – a story all’italiana, in: Alpine Journal 2005, 193–200 (https://www.alpinejournal.org.uk/Contents/Contents_2005_files/AJ%202005%20191-200%20Marshall%20K2.pdf, 31.07.2024)
Ders., K2. Lies and Treachery, London 2009.
1954 Italian expedition to K2 (https://en.wikipedia.org/wiki/1954_Italian_expedition_to_K2, 31.07.2024)